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MEIN X-BERG – SO 36

 

Wenn ich heute durch die Straßen meines alten Bezirks gehe, lässt es sich nicht mehr vermeiden zu erkennen, das alles unumstößlich im Wandel ist. Das Kreuzberg was ich 1977 vorfand, war damals quasi auch gerade im Wandel. Ein Arbeiterbezirk in den immer mehr Irre, Spinner und Spontis einwanderten und ich war einer von Ihnen.

Dann kam der nächste Wandel. In den Achtzigern. Mit dem ganzen Hausbesetzer-Tourismus und dem daraus resultierendem politischen Kurs der baumassnahmlichen Kreuzbergverschönerungen. Was natürlich ordentlich spürbar die Preise allenthalben anziehen ließ. Im Wohnungssektor genauso wie in Lokalen und Geschäften. Plötzlich gab es Klamottenläden auf der O-Straße, wo man Staubmäntel für 600.- DM kaufen konnte. Immer mehr Künstler und gebildetes Volk in guten Positionen brachten immer mehr Geld nach SO-36. Die entsprechenden neuen Tempel schossen im Zentrum ums Kottbusser Tor und auf dem Oranien-Highway wie Pilze aus dem Boden. Immer mehr Freiräume fielen dadurch natürlich dieser Entwicklung auch zum Opfer. Für immer.

Heutzutage erfährt nun unser Bezirk die Auswüchse dessen und die der Maueröffnung. Plötzlich war Kreuzberg kein eingezingelter Bezirk mehr, der versteckt in einer Mauerecke döste, sondern befand sich nun direkt mitten im Herzen von Berlin. Unser Kiez hatte auch damals einen gewissen Ruf, der teilweise noch bis heute nachzuhallen scheint, während die Touristen davon begeistert durch die Straßen schleichen. Scharen von Menschen die nicht mehr abzuwenden sind. Genau so wenig wie die sich häufenden Massen der Tollen und Schicken. Die sich mit ihren Annalenas und den Kevins hier im Bezirk einkaufen. Aus der Hüfte mal eben 200.000€ für eine Wohnung am Lausitzer bezahlen und nicht einmal wissen das um die Ecke ein Schwimmbad ist. Die zahlen auch willig einen Euro für eine Kugel Spargeleis und zwei Euro für einen Kaffee. Ewig habe ich kein ZU VERMIETEN Schild mehr gesehen, nur noch ZU VERKAUFEN.

Globalisierung und Gentrifizierung sind die neue Richtung im Kiez. Soll man sich aber darum nun verschiedenen Stör-Aktionen anschließen, wie den Bezirk zumüllen? Ist zwar ein netter Gedanke, wird nur leider nichts bewirken. Außer etwas Sand im Getriebe zu sein. Vielleicht sollte man sich aber auch mit den neuen Zuständen arrangieren und zu sehen, das man seinen Anteil daraus zieht. Denn mein altes Kreuzberg ist nun einmal tot und wird auch nicht wieder auf wundersame Weise auferstehen. Gestern war gut. Heute ist Scheiße. Es lebe das Morgen.

 

 

©14.05.2012 by Ameise